Social Media, die sozialen Medien, sind – und das klingt sicher wie ein ausgekauter Kaugummi – aus unserer Welt nicht mehr wegzudenken. Sie stehen fast täglich in den Schlagzeilen, werden teils als Basis aktueller Berichterstattung gesehen – und auch dafür verwendet. Sie sind auch so kontroversiell zu betrachten, wie schon lange keine Medien mehr davor.
„Das Internet vergisst nicht!“ ist ein absolut gültiger Satz, der genauso einher gehen kann mit „Was liegt, das pickt!“ Umso mehr sollten Sie bedenken, dass alles, das Sie einmal im Netz veröffentlichen, irgendwo gespeichert bleibt – ob Sie es nun wollen oder nicht.
Informationen, Informationen, Informationen…
Jede Lebenssituation wird hier gepostet, Meinungen werden – ob gefragt oder ungefragt – kundgetan, Unterhaltende, lehrreiche aber auch kontroverse Videos (und natürlich andere Inhalte) kann man auf unterschiedlichen Plattformen kostenlos konsumieren und (fast) uneingeschränkt auf seinen eigenen Seiten teilen… Die Bandbreite an Informationen, die wir erhalten (können) ist schier unendlich und demnach auch komplett unübersichtlich geworden.
Ist man da als User nicht sogar vollends überfordert?
Überlegen wir doch einmal, welcher Zeitaufwand dahintersteckt, diese Medien regelmäßig zu konsumieren: In Österreich liegt der Durchschnitt im Jänner 2022 bei 82 Minuten täglich*, der aber hauptsächlich von 47% der Bevölkerung genutzt wird.
Machen wir daher ein kleines statistisches Rechenbeispiel.
Bei z.B. 1000 Personen sind das in Summe 82.000 Minuten pro Tag. Da es lt. Statistik aber nur 47% sind, die die sozialen Medien täglich nutzen, könnte man diese 82.000 Minuten auf nunmehr 470 Personen verteilen. Das hat nun eine drastische Steigerung des Wertes pro Person zur Folge:
174,5 Minuten pro Tag!
Das entspricht schon fast genau drei Stunden pro Tag.
*Quelle: Statistik Austria, Statista
Sie merken, dass das ein beträchtlicher Teil unseres täglichen Lebens ist, den wir sowohl mit unseren Mobiltelefonen oder Desktops im Netz verbringen.
Eine Zeit, die uns in unseren Entscheidungen, Emotionen, Verhaltensweisen und auch vielen anderen Bereichen stark beeinflusst. Auch hier gilt, dass dies sowohl bewusst als auch unbewusst geschieht.
Was bedeutet das jetzt für unsere Umgangsformen?
Die Frage stellt man sich nach dieser Ausführung wohl zu recht. Sie ist aber essentiell in der sozialen Interaktion – also den zwischenmenschlichen Beziehungen. Der Mensch ist ein Herdentier. Der Mensch schwimmt gerne mit der Masse mit, auch wenn er immer wieder auf seine Individualität pocht.
Beobachtet man heute viele Jugendliche und auch junge Erwachsene, dann könnte man meinen, dass sie in ihrer sozialen Entwicklung von den Eltern weder unterstützt noch begleitet, sondern regelrecht alleine gelassen wurden.
Dieses „Abschieben der Verantwortung“ hat viele Auswirkungen und Effekte und ist mir schon in meiner Zeit als junger Tanzlehrer regelmäßig aufgefallen. Besonders markant war, dass Jugendliche andere Vorbilder fanden, die die nach Aufmerksamkeit und Liebe strebenden jungen Menschen leicht beeinflussen konnten, und ihnen den Weg wiesen.
Natürlich war das jetzt in meinem Umfeld nicht die Drogen- oder eine andere Szene. Es war aber offensichtlich, dass diese Jugendlichen keine greifbaren Ideale hatten, denen sie nacheifern konnten.
Unrealistische Ideale und eine zweidimensionale Welt
Wir sehen in diversen Postings eine imaginäre und zweidimensionale Welt. Diese Welt ist meist eine Scheinwelt, die uns tatsächlich vorgaukelt, dass etwas so sei, aber nicht ist. Es handelt sich dabei um Vorbilder und Maßstäbe, die im „echten Leben“ kaum erreichbar sind. Digital bearbeitete Bilder und Videos sind als solche heutzutage kaum bis gar nicht zu erkennen.
Z.B. werden an die 70% der Meldungen in Facebook mit dem Risiko von Fake-News eingestuft. Bei TikTok sind es „offiziell“ 20% der hochgeladenen Inhalte, die dieses Risiko aufweisen. Da die Guidelines aber nicht unseren Standards entsprechen, liegt die Dunkelziffer wohl sehr weit darüber.
Gerade bei TikTok ist die Beeinflussung Jugendlicher extrem hoch. Verzerrte Körperbilder und unerreichbare Schönheitsideale sind ausgerechnet auf dieser Plattform, deren Zielgruppe (wenn auch nicht offiziell) vor allem die Jüngsten unserer Gesellschaft anvisiert, allgegenwärtig.
Gruppenzwang in der Schule, diverse Berichte der angesagtesten Zeitschriften über Modetrends, die Beliebtheit diverser „Influencer:innen“, etc… sind häufig die (un-)bewussten Meinungsmacher bei Kindern, die rasch einem ungesunden Vergleichsdenken verfallen. Die Beliebtheit in der Gruppe ist für viele ein wichtiges Gut geworden, das man schnell, wenn man eben nicht uo-to-date ist, verspielen kann.
Ein Appel an die Eltern
Beschäftigen Sie sich mit Ihren Kindern!
Ja, auch das zählt zu den Umgangsformen.
Kinder eifern uns nach, kopieren unsere Verhaltensweisen und sind unsere Nachkommen, die entweder unsere aufgebauten Ideale weiterführen (wollen) oder ein neues und eigenständig (hoffentlich erfolgreiches) Leben führen.
Checkliste für Eltern im Umgang mit sozialen Medien
Wenn Sie Ihrem Kind die Nutzung diverser Social Media erlauben möchten, beachten Sie bitte Folgendes:
- Begleiten Sie ihr(e) Kind(er)
Mit klaren Regeln steht der Benutzung diverser sozialen Medien sicher nichts im Wege. Wenn Sie ihren Kinder aktiv bei der Nutzung begleiten, dann können Sie auch völlig ohne übermäßige Kontrolle ihren Jüngsten vertrauen. Besprechen Sie konkret, welche Inhalte gepostet werden (sollen) und schauen Sie sich das gemeinsam an. Schauen Sie sich auch zusammen einige vergleichbare Postings an und erklären Sie Ihre Meinung dazu. Besprechen Sie auch eventuelle Folgen eines Postigs mit bestimmten Inhalten und auch wer alles diese Videos sehen kann. - Beginnen Sie den Einstieg in die Social Media-Welt immer gemeinsam.
Wenn Sie gemeinsam die ersten Schritte in dieser Welt gehen, dann unterstützen Sie Ihr Kind, indem Sie eben die ersten Beiträge erst nach gemeinsamer Absprache veröffentlichen sollten. Sie haben dadurch auch die Gelegenheit, Ihr Interesse an der Entwicklung Ihres Kindes aktiv zu zeigen. - Sie sind der Ansprechpartner…
und die absolute Vertrauensperson! D.h., dass Ihr Kind Ihnen alles erzählen darf, was es auf dem Kanal erlebt (hat), ohne mit negativen Konsequenzen rechnen zu müssen. Melden Sie ohne Zögern fiese Kommentare, Spott oder mobbingähnliche Angriffe bzw. blockieren Sie diese Kommentatoren. Sie zeigen damit, dass Sie vollends hinter Ihrem Kind stehen. Sofern es vorkommt, darf und soll Ihr Kind auch über unangenehme Videos mit Ihnen sprechen können. - Privat bleibt privat
Die Privatsphäre Ihres Kindes bleibt unantastbar. D.h., dass das Profil auf „privat“ bleibt. Es gibt zwar u.U. weniger Likes, das Risiko, dass sich unerwünschte Personen Ihrem Kind – wenn auch „nur“ virtuell – nähern, wird dadurch stark minimiert. (Achten Sie nach Updates ob alle Einstellungen aktualisiert werden müssen oder nicht!) - Behalten Sie die Kosten im Auge.
Auch das gehört zu den vereinbarten Regeln: Kein Geld für In-App-Käufe oder ein vereinbarter Maximalbetrag pro Monat.
Fake Accounts, Fake News
Im Netz kann jede|r sein, was und wer er|sie will.
Der Zusatz „Fake“ impliziert immer etwas Negatives und, dass etwas mit Vorsicht zu genießen wäre. Im Zusammenhang mit Social Media ist das auch grundlegend wichtig. Mehr „Schein“ als „Sein“ ist also oft der Fall.
Wir können eben nicht abschätzen, ob nun das Gepostete immer der Realität entspricht.
Versuchen Sie doch einmal hier, unvoreingenommen und ohne Kommentare zu lesen, herauszufinden, ob es Fakt oder Fake ist:
- Beispiel 1 (Link zu Youtube)
- Beispiel 2 (Link zu web.de)
Gut, das sind jetzt sehr gemäßigte Beispiele, sie verdeutlichen aber, wie leicht eine Realität erschaffen und Reales für Fake gehalten werden kann.
Betrugsmasche Fake Video
Hinterfragen Sie daher bei einem geposteten Video immer wieder, ob es der Realität ensprechen kann. Eine traurige Entwicklung hat es auch bei inszenierten Tierrettungen gegeben, die andauernd auf allen möglichen Plattformen gepostet werden, um mit diesen viel Geld zu lukrieren.
Und das Schlimmste daran: Tiere werden bewusst in gefährliche Situationen gebracht, um dann von Tierrettern (bzw. der dahinter stehenden Organisation), welche für ihre uneigennützigen Taten „belohnt“ werden möchten, gerettet zu werden.
Nutzen Sie auch die Chance und unterstützen Sie über diesen Link die Arbeit von VIER PFOTEN!
Sieht die Szene inszeniert aus?
Betrachten Sie die Gesamtsituation. Fällt Ihnen auf, dass ein Mensch gefilmt wird, der unmittelbar nach den ersten Aufnahmemomenten auf ein in Not geratenes Tier trifft? Wenn mehr als offensichtlich nur zwei Personen am Ort des Geschehens sind (Retter und Filmer), warum hilft der Filmer nicht? Wie mitfühlend verhalten sich die Retter? Gehen sie auf das Geschöpf ein oder machen sie einfach nur ihren „Job“?
Kommt Ihnen das Tier bekannt vor?
Es darf Sie nicht verwundern, wenn Ihnen ein Tier in einer ähnlichen Situation vertraut vorkommt. Dieselben Tiere werden öfter für mehrere Drehs missbraucht.
Was passiert mit dem geretteten Tier?
Wird deutlich, dass sich die Retter um das Tier kümmern, professionelle tierärztliche Hilfe suchen, das Tier zu einer Tierschutzorganisation bringen, oder endet der Clip einfach nach der Rettung?
Geben sich die "Retter" als Tierschützer aus?
Sagt er, dass er zu einer Tierschutzorganisation gehört? Wenn ja, welche? Wenn solche Informationen vorliegen, recherchieren Sie, wie seriös die Organisation ist und ob die Person tatsächlich ein Vertreter dieser Einrichtung ist.
Wie reagieren die "Retter" auf kritische Nachfragen?
Lesen Sie die Kommentare unter dem Video. Sind kritische dabei, solche, die Zweifel an der Authentizität des Videoinhalts äußern? Wenn ja, wie lautet die Antwort? Ist inzwischen die Kommentarfunktion abgestellt worden?
Die oben angeführten Tipps helfen Ihnen auch in anderen Bereichen zu einer kritischen Betrachtung des gezeigten Inhalts. Versuchen Sie immer eine kritische Haltung gegenüber gezeigten Inhalten (egal ob Texte, Bilder oder Videos) einzunehmen. Teilen Sie nie Videos ohne diese hinterfragt zu haben (außer natürlich witzige Videos ohne Berugsabsichten…).